Glanzvoller Liederabend zum Auftakt des Bluval-Festivals 2021 im Hotel Asam
"Sieh, wie wir nach Leben beben." Diese von Hans Krása vertonten Rilke-Worte drücken die Sehnsucht nach der Nahrung des Geistes, der Kultur, aus, die wir über ein Jahr schmerzlich entbehren mussten. Nach der pandemiebedingten Pause 2020 lockt das renommierte Bluval-Festival heuer wieder mit einem opulenten Programm, mit einem Festschmaus für Ohren und Augen. Beim Eröffnungskonzert im so edlen wie intimen Konzertsaal des Asam-Hotels hoben sowohl Schirmherr MdB Alois Rainer als auch Bürgermeister Werner Schäfer die überregionale Bedeutung, das hohe Niveau, die große Bandbreite und die beeindruckende Geschichte des Festivals hervor.
Zudem dankten sie den zahllosen Helfern und Sponsoren – undenkbar wäre das Ganze vor allem ohne das außergewöhnliche, sehr zeitintensive Engagement der Organisatoren Andreas Fuchs und Stefan Mutz. Letzterer appellierte an die auf vielen Ebenen geforderte Politik, nicht „an der Kultur zu sparen“. Zwei junge Künstlerinnen gestalteten das Konzert mit viel Leidenschaft und feinsinnigem Zusammenspiel: Die Münchner Sopranistin Anna-Lena Elbert, Preisträgerin unter anderem beim internationalen Helmut-Deutsch-Liederwettbewerb, und die aus hiesigen Gefilden stammende Pianistin Anna Gebhardt (2009 Bundespreisträgerin auf der Orgel bei „Jugend musiziert“, 2. Preis beim Harald-Genzmer- Wettbewerb). Beide absolvieren den Master-Studiengang an der Musikhochschule München.
Ein Abend mit vier Themen
Der erste von vier thematisch unterschiedlichen Abschnitten des abwechslungsreichen Konzertprogramms widmete sich dem Musikerehepaar Robert und Clara Schumann. Letztere braucht als Komponistin den Vergleich mit ihrem Mann nicht zu scheuen, den sie im „Liederjahr“ 1840 nach etlichen Wirrungen kurz vor ihrem 21. Geburtstag endlich heiraten konnte. Tiefschwarze romantische Melancholie wurde bei Roberts Lied „In der Fremde“ wie auch bei Claras „Volkslied“ nach Heine gekonnt vermittelt. Das „Liebeslied“ op. 51 Nr. 5 nach Goethe kann als Code für die Geheimsprache von Liebenden verstanden werden, die fließendausdrucksvolle Verwobenheit von Melodie und Begleitung kam wunderbar zum Tragen.
Ihre hervorragend deklamierende Aussprache zeigte Elbert auch in Clara Schumanns „Ich stand in dunklen Träumen“, in dem das pessimistische Ende Trennungsschmerz beschwört. Neben ihren Fähigkeiten als kongeniale Korrepetitorin stellte Anna Gebhardt im ersten Satz der „Kreisleriana“ von Robert Schumann ihre solistische Virtuosität unter Beweis.
„Verboten – verfemt – verpönt“: Die nächste Überschrift im Programm bezog sich auf Komponisten, die zur NS-Zeit angefeindet wurden und emigrierten (Hindemith und Zemlinsky) oder im KZ umgebracht wurden (Viktor Ullmann und Hans Krása). Sensibel und sehr differenziert in der Farbgebung präsentierten Elbert und Gebhardt diese Perlen der moderaten Moderne, etwa den Gegensatz von „tropfenden“ Oktaven und expressiven dunklen Akkorden in Krásas „Mach, dass etwas uns geschieht“.
Besonders berührend wirkte ob des historischen Hintergrundes die Textstelle „die Nacht ist lang, ich weiß nicht, ob ich leben darf“ aus Hindemiths Lied „O Grille, sing“; ein wiederholter Triller im Klavier symbolisiert hier das Zirpen.
Französische Musik und Internationalität
Unter dem Stichwort „Traumwandeln“ erklang dann französische Musik; in Debussys Prelude „Das Mädchen mit den Flachshaaren“ zelebrierte Anna Gebhardt die liedhaft-schlichte Schönheit und die impressionistischen Klangbrechungen. Anna-Lena Elbert wiederum schuf eine wunderbar tragende Legatolinie in Gabriel Faurés berühmtem Lied „Aprés un reve“, das den Moment nach dem Erwachen aus lebhaften Träumen beschreibt. Auch die Steigerung vom zärtlichen Wiegenlied zum dramatischen Höhepunkt in „Les berceaux“ (ebenfalls Fauré) gelang ihr auf das trefflichste – gleichmäßig bewegte Begleitung untermalt hier die Analogie zwischen dem Schaukeln der Wiege und dem der Schiffe im Meer. Der abschließende vierte Teil mit dem Titel „Crossing borders“ widmete sich wieder der gemäßigten Moderne, diesmal unter dem Aspekt der Exotik und Internationalität. Elbert und Gebhardt zeichneten mit Leichtigkeit und Witz das fernöstliche Kolorit in „Chinese Serenade“ (Zemlinsky) und die Tango-Anklänge in „Solitary Hotel“ des Amerikaners Samuel Barber.
Größere Ernsthaftigkeit vermittelte Benjamin Brittens „Heimat“ nach Hölderlin, in der die permanente Sekundreibung das „Leid“ symbolisiert, das die eigentliche Heimat darstellt. Große Ausdruckskraft legte Elbert außerdem in das zentrale Wort „willow“ („Weide“) aus E. W. Korngolds melancholischvolksliedhaftem „Lied Desdemonas“ (der unglücklichen Gemahlin Othellos).
Das zahlenmäßig kleine, aber durchweg begeisterte Publikum bekam als Zugabe noch eine getragene, sehr atmosphärische Version von Schumanns „Nachtlied“ zu hören. Mit diesem glanzvollen Auftakt verspricht Bluval zum Lichtblick in diesen schwierigen Zeiten zu werden. Wie Stefan Mutz es formulierte: „Kultur spaltet nicht – Kultur verbindet!“
Quelle: Straubinger Tagblatt, 06.09.2021